Max Barry: Jennifer Government

Weite Teile der Welt sind nicht mehr unter der Kontrolle von Staaten, Steuern gibt es nur noch in der Europäischen Union und in China, Menschen tragen als Nachnamen den Namen ihres Arbeitgebers und Konzerne können praktisch tun, was sie wollen. Ein durchgeknallter Marketingstratege lässt Teenager erschießen, um Turnschuhe zu verkaufen und verstrickt sich immer tiefer in sein eigenes Spiel. Gejagt wird er dabei von Jennifer Government, einer Agentin, die für die Regierung arbeitet und noch ihre eigene alte, ganz private Rechnung mit ihm offen hat.

Die Regierung nimmt ihre Ordnungsfunktion nur noch gegen Bezahlung wahr, da es keine Steuern mehr gibt, und hat mit der NRA (National Rifle Association) und der privatisierten Polizei (dem erfolgreichsten australischen Unternehmen) zwei starke, militarisierte Kontrahenten, die von den beiden dominierenden Kundenbindungsprogrammen kontrolliert werden, denen praktisch alle bedeutenden Firmen angehören. Das ganze gipfelt in einer Art Putsch, dem der Präsident der Regierung zum Opfer fällt und der eine “neue Ordnung” errichten soll, die keine Regularien und keine Regierung mehr kennt…

Die Zutaten zu Barrys Roman Jennifer Government (in dt. Übersetzung unter dem Titel ‘Logoland’ erschienen) sind bekannt. Und leider muss festgehalten werden, dass anderswo besser gekocht wird. Neal Stephenson schreibt unterhaltsamer, Bruce Sterling hat mehr Gespür für kulturelle Feinheiten und William Gibsons urbane Räume sind düsterer, dichter und schöner. Bliebe neben der Ästhetik der Inhalt und auch hier vermeidet es Barry zu glänzen. Seine satirische Kritik an Privatisierung und Entstaatlichung bleibt oberflächlich und untheoretisch. Die konstruiert wirkende Handlung ließe Raum zu detailliertere Kritik, die ich mir hier erspare. Vor allem mit Rücksicht auf diejenigen, die das Buch dennoch lesen möchten, was zum Glück recht schnell geht.

Max Barry: Jennifer Government. Vintage. 2003. ISBN 1400030927

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Neal Stephenson: Snow Crash

Für Neal Stephenson bedeutete Snow Crash 1992 den Durchbruch als Schriftsteller. Die Geschichte ist im Amerika der unmittelbaren Zukunft angesiedelt, in dem von Franchiseunternehmen kontrollierte Stadtstaaten alle herkömmlichen politischen und sozialen Strukturen ersetzt haben.

Mit dem Metaverse stellt uns Stephenson eine weltweite vernetzte virtuelle Realität vor, deren Überflutung mit Werbung und Aneignung durch Wirtschaftsunternehmen, den Trend zur Kommerzialisierung des Internets vorweg nahm, der sich 1992 erst abzuzeichnen begann.

Die beiden Hauptfiguren Hiro Protagonist und Y.T. kommen einer Verschwörung auf die Spur, in der es um Snow Crash geht, eine Art Computervirus, der nicht nur die Avatare von Personen im Metaverse befällt, sondern auch die Personen selbst. Je weiter die beiden bei ihren Nachforschungen kommen, desto illusterer scheint der Kreis der beteiligten Personen und Organisationen zu werden: die Pentecostal Church (Pfingstbewegung), ein durch eine Glasfasernetzwerkmonopol reich gewordener Tycoon, ein aleutischer Jäger mit seiner persönlichen Nuklearwaffe und eine Gruppe von Flüchtlingen, die auf einem riesigen Floß über den Pazifik treibt.

Bizarre Figuren und Situationen, die einem Comicuniversum entsprungen sein könnten, machen das Buch zu einem äußerst unterhaltsamen und kurzweiligen Vergnügen. Die ausgefeilte Handlung und der reichhaltige Vorrat an Ideen dagegen garantieren, dass man sich noch lange mit dem Buch beschäftigen wird, dem nicht umsonst nachgesagt wird, es habe Dienste Google Earth und Second Life inspiriert. Der interessanteste Aspekt des Buches ist aber vielleicht, wie es Stephenson gelingt Theorien über Meme, Sprache, Religion und sumerische Mythologie in Beziehung zu setzen und daraus eine spannende Handlung zu entwickeln.

Neal Stephenson: Snow Crash. ROC. 1993 (zuerst 1992). ISBN 0140232923.

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Norman Gall über São Paulo

Im Großraum São Paulo leben mit knapp 20 Millionen Einwohnern mehr Menschen als in den Niederlanden. Allerdings ist die Siedlungsdichte fast viermal so hoch, wie bei unserem westlichen Nachbarland. Trotz aller sozialen Ungleichheit besitzt die Stadt eine überaus dynamische Wirtschaft, die eine bedeutende Rolle im Welthandel und für die Ökonomie Brasiliens spielt. Einerseits rechnet man sie zu den Megacities, einer Klassifizierung mit überwiegend negativen Konnotationen, wie Armut, ökologischen Problemen und ungeplantem wildem Wachstum, andererseits sehen viele in São Paulo eine “Global City”, eine Stadt, deren kulturelles und ökonomisches Gewicht global ist.

Norman Gall schildert in seinem Essay Mending Brazil’s Megacity die einzigartigen Herausforderungen vor denen diese Stadt steht, wie sie in kurzer Zeit auf ihre derzeitige Größe angewachsen ist und ihre besonderen politischen Probleme und Chancen.

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Commanding Heights

Recently a friend recommended the documentary Commanding Heigths — The Battle for the World Economy to me. The good news is that it is available for viewing online. Based on a book by Daniel Yergin and Joseph Stanislaw it tells the story of two of the most influential economists and how thier ideas shaped the economic policies of the twentieth century: Friedrich August von Hayek and John Maynard Keynes. The former being an advocate of free market capitalism and the latter the founder of modern macroeconomics and a devout believer in anti-cyclical government intervention to counter the most devestating effects of unreined capitalist market forces.The tone of the series is mostly pro free markets and pro globalization and critiques have pointed out the political bias reflected by the corporate sponsorship of the programme. However, Yergin and Stanislaw do not fail to address the problems of the new global economy (Russia, Asian Crisis, Argentina,…). They remain cautiously optimistic about the link between free market capitalism and freedom. Certainly it is more a trip to the market than a work indicative of a third way. This is probably not so much a shortcoming of the authors, but founded in what seems to be the unanimous success of free markets at the beginning of the twenty-first century and the failiure of viable alternatives to emerge.The question remains, how the cause of liberty can be served best under the current economic conditions and with terrorism and counter-terrorism raising the stakes for those interested in defending the idea of a free society. Some of the answers given seem too simple. Is freedom in Chile really a result of the forces of free markets? How does China’s model of capitalism with free markets without freedom for its people hold up? Is it just a transitional phase of capitalism or indicative of a failure of free markets to fulfill Hayek’s promise? Have free markets failed to emerge in Russia — as Yergin and Stanislaw suggest — because a (post-)soviet culture of theft triumphed over entrepreneurial spirit?

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